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Dienstag, 12. August 2014

Precht - Gute Kriege, schlechte Kriege

Durch den verwerflichen Chemiewaffeneinsatz in Syrien, dem wohl über 1000 Zivilisten zum Opfer fielen, steht die Völkergemeinschaft wieder einmal vor der schwierigen Frage, ob und wie man auf einen solch unmenschlichen Verstoß gegen die Menschenrechte reagieren sollte. Diplomatische Verhandlungen, Resolutionen, Embargos oder gar eine militärische Intervention?

Aber auf welcher politischen und moralischen Grundlage hat wer das Recht oder die Pflicht, bei welchem Grad von Menschenrechtsverletzung mit einem Militäreinsatz zu reagieren? Diese Frage möchte Richard David Precht mit Daniel Cohn-Bendit diskutieren, dem grünen Europapolitiker, dem legendären 1968er-Studentenführer, der sich später zum Befürworter von Militärinterventionen wandelte. Cohn-Bendit, der aus humanitären Beweggründen bereits im Bosnien-Krieg für ein militärisches Eingreifen stimmte, plädierte kürzlich sogar für eine deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz in Syrien.

Die Globalisierung und die damit verbundene Notwendigkeit, Übereinkünfte zwischen den Nationen festzuschreiben, haben das Spannungsverhältnis zwischen Staatssouveränität und Wahrung des Völkerrechts zwangsläufig verschärft. Aber welche Ziele rechtfertigen die Einmischung in die Souveränität eines anderen Landes, das sich Vergehen gegen die Menschenrechte zu Schulden kommen lässt: die Verhinderung weiterer Verbrechen, den Sturz der Landesführung?

Sieg ohne Frieden?

Welches Recht hat vor allem ein einzelner Staat wie etwa die USA, sich selbst das Mandat einer Weltpolizei zu übertragen, um ohne die Zustimmung oder den Auftrag des UN-Sicherheitsrates ohne die Zustimmung oder den Auftrag des UN-Sicherheitsrates Militärschläge gegen ausgemachte Schurkenstaaten zu führen? Eine Frage, die umso brisanter klingt, wenn man an Präsident Obamas Äußerung denkt, die USA seien zwar keine Weltpolizei, aber in Syrien stünden die Ideale, Prinzipien und die nationale Sicherheit Amerikas auf dem Spiel. Weshalb hat die Welt sich eigentlich so daran gewöhnt, dass die USA diesen Sonderstatus beanspruchen? Wie können die Vereinten Nationen so reformiert werden, dass sie tatsächlich zum übernationalen Friedensstifter werden?

Gleichgültig, ob man die schwerwiegende Frage eines militärischen Eingreifens unter moralischen, strategischen oder juristischen Kriterien betrachtet, jede Entscheidung muss sich letztens auch an den aus ihr tatsächlich hervorgehenden Konsequenzen messen lassen. Ein Land zu besiegen mag einfach sein, es zu befrieden gelingt dagegen nur selten.


Mittwoch, 16. April 2014

Precht: Der getunte Mensch

Im Mittelpunkt der Sendung steht der Mensch mit seinem Wunsch nach Perfektion. Noch nie in der Geschichte haben sich Menschen so sehr mit sich und ihrem Körper beschäftigt wie heute. Wir optimieren unser äußeres Erscheinungsbild, unsere Gesundheit und demnächst vielleicht sogar unsere Gene. Wir wollen perfekt sein. Die Vollkommenheit und Fitness unseres Körpers ist zu einem Marketing-Instrument geworden. Nicht nur im Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch im privaten Leben. Eine neue Schere öffnet sich: Die Wohlhabenden können sich die Gesundheits-Konditionierung leisten, die Ärmeren nicht.

Im Gespräch mit der Schriftstellerin Juli Zeh ("Corpus Delicti") möchte Richard David Precht dem Phänomen des sogenannten "Self-Enhancements", also des Strebens nach Perfektionierung eines eigentlich gesunden Körpers, auf die Spur kommen. Ist es wirklich ein neues Symptom? Wie hat sich das Verhältnis zu unserem Körper und dessen Unzulänglichkeiten menschheitsgeschichtlich entwickelt? Wie entstand die besondere Wertschätzung des Körpers über das reine Funktionieren hinaus? Wann erfand die Philosophie die Unterscheidung zwischen Körper und Geist/Seele und welche Bedeutung hat das Körperliche in der Philosophie?

Die Marktnormen verdrängen die Sozialnormen immer mehr. Soziologen beobachten, wie es Teenagern immer schwerer fällt, aufgrund ihrer hochgesteckten Erwartung an die körperliche Makellosigkeit und Attraktivität eines potenziellen Partners, reale Beziehungen einzugehen. Was wird aus unserer Gesellschaft und unserem Zusammenhalt, wenn jeder sich nur noch für sich selbst interessiert? Schon heute ist der Ton zwischen denen, die aus eigener Tasche in ihre Gesundheit und Fitness investieren und jenen, die ihre Gesundheit aus eigener Tasche zu ruinieren scheinen - wie Raucher, Alkoholkonsumenten, Risikosportler oder Fastfood-Konsumenten - rauer geworden.

Wie lange wird eine solche Gesellschaft noch bereit sein, ein Gesundheitssystem mitzutragen, dass durch jene "unvollkommenen" Menschen drastisch verteuert wird? Letztlich stellt sich dann die Frage, wie unsere Gesellschaft mit Menschen umgeht, die nur deshalb durch das Raster der Optimierungsansprüche zu fallen drohen, weil sie mit einer Behinderung leben.


Dienstag, 15. April 2014

Precht: Ende der Geheimnisse - Die gläserne Gesellschaft

Das Internet hat die Voraussetzung für eine grenzenlose, radikal offene wie ungefilterte Kommunikation geschaffen. Diskussionen, Meinungen und Selbstdarstellungen von jedermann sind im Netz für jeden einsehbar. In Foren, Chats, Blogs, auf Twitter und Facebook kann heute jeder alles posten, liken oder Shitstorms - die Guillotine des 21. Jahrhunderts - gegen andere entfachen. Das Aufweichen der Grenzen zwischen Intimität und Öffentlichkeit hat ein neues Verständnis von Gesellschaft erzeugt, das viele nun nicht mehr nur auf die Netzwelt beziehen wollen.

Transparenz heißt das Gebot der Stunde, totale Offenheit im Politischen wie im Privaten. Über diesen vielschichtigen Begriff diskutiert der Philosoph und Erfolgsautor Richard David Precht in seiner ZDF-Philosophiesendung mit einer Expertin, die mit dem Thema bestens vertraut ist: Marina Weisband, Ex-Geschäftsführerin der Piratenpartei und Autorin.

Besonders die junge Generation fordert heute Transparenz: in der Arbeitswelt, der Wirtschaft und vor allem in der Politik. Was bisher hinter veschlossenen Türen verhandelt wurde, daran soll nun jede Bürgerin und jeder Bürger teilhaben können. Und in immer stärkerem Maße auch mit entscheiden dürfen. Mehr Teilhabe soll auch mehr Akzeptanz erzeugen. Aber ist die Forderung nach mehr gesellschaftlicher Transparenz das Heilmittel gegen Polit-Affären, Korruption, Machtmissbrauch und Politikverdruss? Brauchen wir, so fragt Precht, ein Update auf eine Demokratie 2.0? In der mit offener Kommunikation, einschließlich der Offenlegung aller Privatvermögen, wieder ein stärkeres Vertrauen zwischen Regierenden und Regierten geschaffen wird? Oder ist die Vision einer Transparenzgesellschaft in Wahrheit der Albtraum in Form einer Kontrollgesellschaft, in der dann, laut Lenin, Vertrauen gut, Kontroller aber eben besser ist?

Wie ist es überhaupt um das tatsächliche Bedürfnis der Menschen nach Einblick und Mitbestimmung bestellt? Marina Weisband beklagt in ihrem Buch "Wir nennen es Politik" den Widerspruch zwischen Desinteresse der Bevölkerung an politischer Einflussnahme aber der gleichzeitigen Lust am Shitstorm. Auch sie kommt, wie schon der Berliner Philosoph und Transparenz-Kritiker Byung-Chul Han, zu dem Schluss, dass das Instrument der simplen Machtausübung wohl kaum aus der Politik zu entfernen ist. Das aber schafft jene Politiker mit dem "Scheissegal-Gen", wie es Weisband nennt, die sich eher durch Durchsetzungskraft und Stehvermögen auszeichnen als durch gute politische Ideen. Hat Weisband ihren Traum von einer besseren Politik durch Transparenz bereits aufgegeben?